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Tatbestand: Die SPD-Fraktion beantragt am 08.10.2017, „Der Rat möge beschließen: Die Stadtverwaltung entwickelt ein Konzept für ein städtisch unterstütztes Existenzgründerzentrum und gibt zugleich einen Sachstandsbericht zu bisherigen Überlegungen und konkreten Ansätzen.
Begründung:
Erkelenz steht als Stadt und Wirtschaftsstandort im ständigen Wettbewerb um gewerbliche Neuansiedlungen. In diesem Zusammenhang hat der strategische Ansiedlungsaspekt, ein städtisch unterstütztes Existenzgründerzentrum zu entwickeln und hier gerade für jüngere Gründungsinteressierte gute Startbedingungen anzubieten, bisher keine maßgebliche Rolle gespielt. Gerade auch im Kontext der Investorenausschreibung zur Entwicklung des Areals um das Alte Amtsgericht und Gesundheitsamt kann durch die Stadt anscheinend auf diesen Aspekt nicht hingewirkt werden. Mit dem Angebot eines solchen Zentrums können drei wesentliche Ziele unterstützt werden:
Diese Ziele sollen insbesondere durch die Förderung von Existenzgründungen und die Unterstützung gerade jüngerer und gründungsfreudiger Unternehmerinnen und Unternehmer erreicht werden.
Denkbar wäre etwa eine Unterstützung
Aus diesem Grund beantragt die SPD-Fraktion, hierfür ein Konzept zu entwickeln und bittet die Verwaltung gleichzeitig um einen Sachstandsbericht, der u.a. Ausführungen zu den nachfolgenden Punkten beinhaltet:
Zum Antrag der SPD-Fraktion möchte die Verwaltung wie folgt Stellung nehmen:
Die Stadt Erkelenz hat mit Beschluss vom 21.06.1989 den Beitritt zur Wirtschaftsförderungsgesellschaft für den Kreis Heinsberg (WFG) beschlossen. Hintergrund für die Gründung dieser Gesellschaft war der seinerzeit durch die Schließung der Zeche Sophia-Jacoba vorzunehmende Strukturwandel, der auch Auswirkungen auf Erkelenz hatte. Im Zuge des Beitritts zur Gesellschaft wurde Erkelenz ebenfalls Gesellschafter des damals bereits geplanten Gründer- und Service-Zentrums mit Sitz in Hückelhoven, welches vor dem Hintergrund des Strukturwandels Ansiedlungen für den gesamten Kreis Heinsberg und auch für Erkelenz hervorbringen sollte, wie auch der entsprechenden Niederschrift zum genannten Beschluss zu entnehmen ist. Die Stadt Erkelenz ist somit über die Beteiligung an der Wirtschaftsförderungsgesellschaft für den Kreis Heinsberg bereits Teilhaber eines Gründungszentrums – auch wenn dieses nicht direkt in Erkelenz verortet ist.
Die Gründungsberatung in Nordrhein-Westfalen wurde 2006 in Form der sogenannten Starter-Center NRW neu organisiert. Im Kreis Heinsberg wird diese Funktion durch die Wirtschaftsförderungsgesellschaft für den Kreis Heinsberg als zentrale Anlaufstelle für alle Gründerinnen und Gründer wahrgenommen. Rund 40 Partner, zu denen u.a. die Wirtschaftskammern, die Städteregion Aachen, die Kreise Düren, Euskirchen und Heinsberg, die AGIT, die Hochschulen sowie viele weitere Einrichtungen aus dem Bereich der Wirtschafts- und Existenzgründungsförderung gehören, bieten ein umfassendes Beratungsangebot im Netzwerk der GründerRegion Aachen für die Vorbereitung zum Unternehmertum. Natürlich ist in dieses Netzwerk auch die Stadt Erkelenz eingebunden und führt in Kooperation mit der WFG die Beratung vor Ort hinsichtlich der Möglichkeiten insbesondere auch der späteren tatsächlichen Ansiedlung direkt vor Ort fort.
Zur weiteren Historie und Einrichtung der Gründerzentren, die zum ähnlichen Zeitpunkt und vor ähnlichem Hintergrund auch in Geilenkirchen und Übach-Palenberg entstanden sind, ist eine damalige hohe Förderquote vor dem Hintergrund des seinerzeit durch die Abkehr von der Steinkohle bedingten Strukturwandels und die dringend notwendige Besiedelung großer freier Gewerbeflächen in den Städten des Kreises zu nennen. Anfang der 90er Jahre ist auch der GIPCO entstanden, dessen Besiedelung mit Unternehmen sich in den ersten Jahren durchaus ebenfalls nicht einfach gestaltet hat. Die Konzeption der Zentren war annähernd gleich: Die Vermietung von Flächen sollte branchenunabhängig nur für einen begrenzten Zeitraum erfolgen – je nach Modell teilweise in den ersten Jahren subventioniert. Es sollten Büro- und Hallenflächen in kleiner Form zur Verfügung gestellt werden, um ein Wachstum und eine spätere Aussiedlung an einen eigenen Gewerbestandort in den vorhandenen Gewerbegebieten zu ermöglichen. Sekretariat, Konferenzräume etc. wurden als Service-Paket fakultativ mit angeboten. Alle Institutionen im Kreis werden auch heute noch im Rahmen privater Gesellschaften teilweise mit Beteiligung von Privatunternehmen z.B. aus der Bankwirtschaft betrieben.
Seitens der Wirtschaftsförderung der Stadt Erkelenz findet in Ergänzung zu den Starter-Centern ebenso eine qualifizierte Förderberatung statt, die auch auf der Homepage der Stadt im Bereich Wirtschaftsförderung als Angebot dargestellt ist. Von einer strategischen Lücke kann somit keine Rede sein – wie auch die qualifizierten Ansiedlungen/Anfragen von Gründungsunternehmen insbesondere bei der Immobilienvermittlung zeigen (geschätzt durchschnittlich ca. 10 bis 15/Jahr in Bezug auf Finanzierung/Immobilien unabhängig von sonstigen Fragen von Gründern).
Erkelenz verfügt aufgrund der Situation bei Bestandsgewerbeimmobilien über ein adäquates Angebot an kleineren Hallen auch kombiniert mit Büroflächen für Betriebe in der Gründungsphase aus den Bereichen Handwerk/Produktion. Ebenso gibt es Bürokomplexe für alle Arten von Dienstleistungsunternehmen auch in kleinen Einheiten. In beiden Fällen erfolgt die Vermietung durch die Eigentümer zu sehr günstigen Konditionen, die fast ausnahmslos durch Gründer oder junge Unternehmen in der Etablierungs- und ersten Wachstumsphase genutzt werden. Ein neues Objekt mit variabler Nutzung wird derzeit im GIPCO von privat erstellt. Eine entsprechende Beratung und Vermittlung in Bezug auf Bestandsmiet- und ggfs. Kaufobjekte erfolgt neben der Gründungsberatung durch die städtische Wirtschaftsförderung. In der Folge sind in Erkelenz nur sehr selten Leerstandsobjekte im Gewerbebereich zu verzeichnen. Darüber hinaus besteht generell gerade aufgrund der günstigen Finanzierungssituation ausnahmslos eine Überanfrage nach Gewerbegrundstücken und Bestandsobjekten von jungen und auch etablierten Unternehmen. Beides ein Zeichen für die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Erkelenz sowohl bei jungen als auch etablierten Unternehmen. In enger Begleitung durch die Wirtschaftsförderung wurden überdies in den letzten Jahren einige Betriebe seit der Gründung nach der Wachstumsphase oder sogar direkt bei Gründung in größere Neubau- oder Bestandsobjekte angesiedelt. Die Begleitung durch die Wirtschaftsförderung erfolgt im Optimalfall von der Gründung über die gesamte Bestandszeit eines Unternehmens. Viele der sogenannten klassischen Neugründungen erfolgen heute auch im Rahmen der Nachfolgeregelungen durch herangezogene eigene Kräfte bei Bestandsunternehmen.
In den letzten 15 Jahren sind in Erkelenz 2.100 neue Arbeitsplätze geschaffen worden. In der Folge ist heute eine Arbeitslosenquote von nur ca. 4,3 % zu verzeichnen. In den letzten 15 Jahren sind durchschnittlich 460 Unternehmen pro Jahr neu angemeldet worden. Klassischerweise mehr in Phasen der Krisen – aktuell wegen der Hochkonjunktur und des guten Lohnniveaus etwas rückläufig. In Relation zu den Abmeldungen (Durchschnitt 404) verbleiben in Erkelenz jährlich durchschnittlich 56 neue Unternehmen, für die entsprechender Raum gefunden wurde.
Ein Zusammenhang mit den Flächen am Alten Amtsgericht oder dem Gesundheitsamt kann aktuell höchstens für reine Dienstleistungsbetriebe oder den Einzelhandel gesehen werden. Die Ansiedlung von Hallenflächen ist an dem Standort nicht denkbar aufgrund der umgebenden Bebauung. In Bezug auf Dienstleistungsbetriebe ist ein entsprechendes freies Marktangebot zu günstigen Konditionen vorhanden. Einzelhandel ist in Gründerzentren nicht vorgesehen.
Der ursprüngliche Hintergrund für die Errichtung eines herkömmlichen Gründerzentrums im Zuge der späteren Besiedelung von Freiflächen zur Schaffung von Arbeitsplätzen ist aufgrund des dargestellten Sachstands und der Nachfragesituation in der Form aktuell nicht gegeben.
Die gesamte Gründerszene unterliegt aktuell einem starken Wandel. Die Nachfragen nach konkreten Gründungsberatungen auf lokaler und kreisweiter Ebene schwindet – ebenso die Anfragen nach entsprechenden Flächen in den Bestandsgründerzentren. Der Anteil an Mietern in der Gründungsphase (bis 3 Jahre) beträgt so im Gründer- und Servicezentrum Hückelhoven aktuell derzeit nur ein Drittel in Bezug auf die Gesamtmieterzahl. Ausgründungen aus den Hochschulen werden direkt in entsprechenden teilweise nach Wissenschaftslinien getrennten und spezialisierten Beratungszentren an den Hochschulen begleitet. Es erscheint unrealistisch, hier als Kommune ohne fundierte gerade auch wissenschaftliche Fachberatung und Ausstattung für die einzelnen Branchen einen Gegenpunkt setzen zu können. Heutige allerdings nicht mehr so bezeichnete Gründerzentren sondern eher unter den Begriffen Inkubator, Fab labs, Innovation labs oder Start-up-Zentren zu findende Institutionen werden häufig einzeln oder in Kooperation von mehreren etablierten Unternehmen zum Teil direkt mit den Hochschulen betrieben, um sich möglichst direkt neue Entwicklungen (insbesondere auch vor dem Hintergrund der Digitalisierung – Nutzung digitaler Daten für Produktionsentwicklungen etc.) zu sichern und Ideen zu fördern, die aufgrund der manchmal zu etablierten und schwerfälligen Struktur eines Unternehmens in der Schnelligkeit, wie diese heute für den Markt erforderlich wäre, nicht gegeben sind. Der Trend geht von daher dahin, sich durch externe Impulse junger Menschen das entsprechende Potential zu sichern. Neue Unternehmen werden so unter anderem häufig auch nicht mehr auf Dauer angelegt, sondern quasi projektbezogen für einen gewissen Zeitraum gegründet.
Eine Möglichkeit, Gründer und etablierte Unternehmen zusammen zu bringen, stellen die sogenannten Coworking-Spaces dar. Hierbei handelt es sich üblicherweise um die feste oder variable Zurverfügungstellung von Räumlichkeiten – meist Büros in Kombination von gemeinsamen Nutzungen für Austausch- und Konferenzräume, gemeinsamen Veranstaltungen, kreativer Ideenfindung etc. Bisher in der Hauptsache in großen Städten etabliert, findet sich ein solcher Coworking-Space gerade im September/Oktober offiziell eröffnet nun auch in den Räumlichkeiten der Kreissparkasse Heinsberg in Heinsberg. Auf 600 m² werden innovative Büroflächen, flexible Schreibtischplätze und kreative Workshop- und Event-Räume zur Verfügung gestellt. Unterstützt wird dieses Pilot-Projekt der Kreissparkasse Heinsberg für den gesamten Kreis Heinsberg durch eine Reihe von Unternehmen aus dem Kreis. Sollte dieses Pilotprojekt wie erhofft, gut angenommen werden, sind weitere Coworking-Spaces im Kreis und natürlich auch in Erkelenz denkbar.
Generell erfolgt die Kontaktvermittlung zwischen Unternehmen untereinander und zu weitergehenden Netzwerken auch aktuell schon permanent, da es sich um eine Aufgabe im Rahmen des laufenden Geschäfts der Wirtschaftsförderung handelt. Eine entsprechende Netzwerkarbeit wird sehr aktiv betrieben.
Eine fundierte Kostenschätzung zur Errichtung eines herkömmlichen Existenzgründerzentrums wurde vor dem dargestellten Hintergrund bisher nicht vorgenommen. Erkelenz setzt auch wegen der Krisenunabhängigkeit auf einen Mix aus unterschiedlichsten Branchen. Die Notwendigkeit eines nur traditionellen Hallenbaus mit Bürotrakt ist aufgrund der dargestellten Sachlage nicht gegeben. Zum Vergleich: das Gründer- und Service-Zentrum Hückelhoven mit einer vermietbaren Fläche von knapp 6.000 m² (Hallen, Büros) wurde in den 90er Jahren für ca. 16 Millionen DM errichtet. Selbst bei einer denkbaren Förderung von 60% (ohne Grundstückskosten), wäre mit einer Eigen-Investition von sicherlich mindestens 1 Million bei einer realistischen Größe von 1.500 bis 2.000 m² zu rechnen. Die Kosten des laufenden Betriebs können ebenfalls nicht seriös ohne konkrete Planung abgeschätzt werden und würden von der Größe/Ausstattung abhängen (Verwaltung, Sekretariat, Hausmeister, Instandhaltung etc.), aber auch über Betriebskostenanteile finanziert werden können.
Ein zukunftsgerichtetes und Branchen-/Sparten-orientiertes Zentrum/lab ist bei wissenschaftlicher Ausrichtung mit passender Konzeption und fundierter Planung ohne Zusammenarbeit mit den Hochschulen nicht realisier- und bezifferbar. Die Hochschulen gerade auch in Aachen und Mönchengladbach betreiben jedoch eigene Zentren unterschiedlichster wissenschaftlicher Ausrichtung.
Die Kosten für ein Coworking-Space wären davon abhängig, ob eine entsprechende Bestandsimmobilie erworben oder angemietet würde. Hinzu kämen Umbaukosten je nach Erfordernis sowie ebenfalls laufende Kosten für Verwaltung, Sekretariat, Hausmeister etc. Aufgrund der gerade frisch für den gesamten Kreis installierten Plattform in Heinsberg und fehlender Erfahrungen der Akzeptanz ist auch hier keine fundierte Kostenschätzung vorhanden. Diese würde überdies im Detail von der gewählten Immobilie abhängen.
Aufgrund der oben dargestellten Sachlage und der permanenten Marktbeobachtung wird seitens der Wirtschaftsförderung aktuell aufgrund des nicht vorhandenen Mangelzustands in dem Bereich und der aktuellen wirtschaftlichen Hochphase mit entsprechenden Ansiedlungen und Investitionen keine Notwendigkeit der Einrichtung eines Gründerzentrums und damit verbundener Investitionen gesehen. Die entsprechenden Zahlen in Bezug auf angesiedelte Firmen, neu geschaffene Arbeitsplätze, die niedrige Arbeitslosenquote und auch die positive Entwicklung der Einwohnerzahlen sprechen für sich. Sollte sich die wirtschaftliche Entwicklung und die generelle Unternehmensentwicklung in Erkelenz aus bisher nicht erkennbaren Gründen verschlechtern, so werden seitens der Wirtschaftsförderung die zu diesem Zeitpunkt erforderlichen und aktuellen Handlungsmöglichkeiten und Gegenmaßnahmen geprüft, entwickelt und sofern sie nicht ohnehin zum Tagesgeschäft der Wirtschaftsförderung gehören, den politischen Gremien als Maßnahme vorgeschlagen werden. Vor dem Hintergrund des kommenden Wandels in Bezug auf die Gestaltung nach dem Abbau der Braunkohle sind darüber hinaus mit der Gründung des Zweckverbands und den in der Vereinbarung mit RWE Power verankerten Inhalten die Weichen für künftige Maßnahmen gerade auch im wirtschaftlichen Bereich gestellt. Hier könnten sich entsprechende Möglichkeiten für regionale - dann an aktuellen Erfordernissen und Entwicklungen in dem Bereich orientierte - Zentren ergeben. Beschlussentwurf (als Empfehlung an Hauptausschuss und Rat): „Der Antrag der SPD-Fraktion zur Erstellung eines Konzepts für ein städtisch unterstütztes Existenzgründerzentrum durch die Stadtverwaltung wird abgelehnt. Der ebenfalls beantragte Sachstandsbericht zu bisherigen Überlegungen und konkreten Ansätzen zu einem solchen Zentrum entfällt aufgrund der aktuellen Tatbestands- und Situationsdarstellung durch die Verwaltung.“ Finanzielle Auswirkungen: Keine Anlage: Antrag der SPD-Fraktion im Rat der Stadt Erkelenz vom 08.10.2017
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