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Tatbestand: Die Stadtratsfraktion Bündnis 90/Die Grünen beantragt mit Schreiben vom 08. September 2010, dass die Verwaltung nach erfolgtem Beschluss des Hauptausschusses beauftragt wird,
a) die Richtlinien über die Vergabe von öffentlichen Aufträgen (Vergabeordnung) in dem Sinne zu überarbeiten, dass Aspekte des Umweltschutzes und der Energieeffizienz Bestandteil der Zuschlagsentscheidung werden und die Vergabeordnung dahingehend modifiziert wird, dass in Zukunft keine Sachen angeschafft werden, die unter Einsatz von Kinderarbeit produziert wurden,
und
b) zu prüfen, ob die städtische Vergabeordnung auch für die städtischen Tochtergesellschaften Gültigkeit besitzt.
Zu a): Gemäß § 97 Abs. 4 S. 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) können für die Auftragsausführung zusätzliche Anforderungen an den Auftragnehmer gestellt werden, die insbesondere soziale, umweltbezogene oder innovative Aspekte betreffen, wenn sie im sachlichen Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand stehen und sich aus der Leistungsbeschreibung ergeben. Diese Regelung gilt allerdings nur für Vergabeverfahren ab dem maßgeblichen Schwellenwert (vgl. § 100 Abs. 1 GWB und § 2 VgV).
Seit dem 01.01.2010 gelten folgende Schwellenwerte: Bauaufträge: 4,845 Mio. € / Dienstleistungs- und Lieferaufträge: 193.000 €
Der überwiegende Teil der Vergabeverfahren bei der Stadt Erkelenz bleibt unter dem jeweils maßgeblichen Schwellenwert. Für Vergabeverfahren unter diesem Schwellenwert gilt § 97 Abs. 4 S. 2 GWB nicht.
Die im Antrag der Fraktion zitierten Runderlasse gelten, abgestellt auf deren Systematik, nur für Vergabeverfahren ab dem maßgeblichen Schwellenwert. Beide Runderlasse nehmen ausdrücklich Bezug auf § 97 Abs 4. S. 2 GWB.
Auf Unterschwellenvergaben finden § 25 GemHVO NW und die ersten Abschnitte der Vergabe- und Vertragsordnungen Anwendung. Diese Regelungen enthalten keine Vorgaben zur Berücksichtigung von Umweltaspekten und/oder sozialen Belangen.
Dies bedeutet aber nicht, dass die Beachtung entsprechender Aspekte bei Unterschwellenvergaben ausscheidet. Eine Möglichkeit zur Aufnahme diesbezüglicher Vorgaben ist bei Unterschwellenvergaben Ausfluss der Vertragsfreiheit. Eine Berücksichtigung entsprechender Aspekte verstößt nicht gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, da der haushaltsrechtliche Wirtschaftlichkeitsbegriff die Berücksichtigung der gesamtgesellschaftlichen Folgekosten erlaubt. In dem Leitfaden „Die Berücksichtigung sozialer Belange im Vergaberecht, Hinweise für die kommunale Praxis, Stand: September 2009“ vertreten die Verfasser die Auffassung, dass sich die Inkaufnahme von höheren Preisen zur Bekämpfung von Kinderarbeit mit Artikel 1 Abs. 1 GG begründen lässt und ergänzen, dass der faire Wettbewerb, den das Vergaberecht verlangt, erst durch die Forderung, soziale Mindeststandards einzuhalten, hergestellt wird.
Anmerkung: Seit Beschluss des Hauptausschusses vom 29.10.2008 ist bei der Vergabe von städtischen Aufträgen durch eine entsprechende vertragliche Regelung („Zusätzliche Vertragsbedingungen der Stadt Erkelenz“) ausgeschlossen, dass Produkte und Vorprodukte angeschafft werden, die in ausbeuterischer Kinderarbeit hergestellt wurden.
Für die Beachtung von Aspekten des Umweltschutzes und der Energieeffizienz bieten Artikel 29 a der Landesverfassung NW (Schutz natürlicher Lebensgrundlagen) und § 2 des Abfallgesetzes NW die entsprechende Rechtfertigung.
Bei der städtischen Vergabeordnung handelt es sich um eine Dienstanweisung, die die Zuständigkeit und das Handeln der städt. Bediensteten regelt. Sie bewirkt eine Selbstbindung.
Um zu vermeiden, dass mögliche Ausführungen zur Berücksichtigung von Umweltaspekten und von sozialen Belangen bei der Auftragsvergabe als unzulässige Normkonkretisierung zu § 97 Abs. 4 S. 2 GWB ausgelegt werden können, die eine ordnungsgemäße Ermessensausübung einschränkt, ist zu empfehlen von der unmittelbaren Aufnahme diesbezüglicher Hinweise in die eigentliche Vergabeverordnung abzusehen und stattdessen eine entsprechende Protokollerklärung als Auslegungshilfe anzufügen.
Dieses Vorgehen wird vom Deutschen Städtetag befürwortet und viele andere Kommunen haben sich hieran orientiert.
Zu b): Die städtische Vergabeordnung ist eine Dienstanweisung für alle städtischen Bediensteten. Sie gilt für die eigenbetriebsähnlichen Einrichtungen und auch für die Eigengesellschaften und Eigenbetriebe, wenn ein Fachamt bzw. Fachamtsbediensteter im Auftrag der Eigengesellschaft bzw. des Eigenbetriebes ein Vergabeverfahren durchführt.
Sowohl für die Bediensteten der GEE als auch des Abwasserbetriebes ist die Vergabeordnung bei Vergabeverfahren anzuwenden. Einzige Ausnahme bildet die Kultur GmbH. Arbeitgeber der Beschäftigten der Kultur GmbH nicht die Stadt Erkelenz, sondern die GmbH selbst.
Die Kultur GmbH ist öffentliche Aufraggeberin im Sinne des § 98 GWB. Damit muss bei Vergaben über dem Schwellenwert § 97 Abs. 4 S. 2 GWB angewendet werden. In diesen Fällen sind so die §§ 4-6 VgV die VOB, VOL und VOF zu beachten. Soziale und umweltbezogene Aspekte können an den Auftragnehmer gestellt werden, wenn sie im sachlichen Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand stehen und sich aus der Leistungsbeschreibung ergeben (vgl. Prüfung zu a))
Bei Unterschwellenvergaben gelten für die Kultur GmbH weder die VgV, noch VOL, VOB und VOF. Beschlussentwurf (in eigener Zuständigkeit): „Die Verwaltung wird beauftragt, Ausführungen zur Berücksichtigung von Umweltaspekten und von sozialen Belangen zu verfassen und diese als Protokollerklärung der Vergabeordnung beizufügen.“ Finanzielle Auswirkungen: keine Anlage: Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 08. September 2010
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